Der Winter ist kalt und typisch für trockene Luft.
Aber ist das ungesund?
Tatsächlich werden im Winter in beheizten Räumen zahlreiche Symptome mit trockener Heizungsluft in Verbindung gesetzt. Es wird über Beschwerden wie trockner Hals, trockene Haut oder trockene Augen geklagt. Schuld soll zu trockene Luft sein.
Aber es kommt noch dicker. Ratgeber und Fachliteratur geben eine so genannte Behaglichkeit an. In einem Interwall von 40 bis 60 Prozent solle die relative Raumluftfeuchte gehalten werden. Auf gar keinen Fall sollte das Raumklima unter 30 Prozent relativer Luftfeuchte fallen. Das sei gesundheitlich nicht zuträglich.
Aber ist tatsächlich trockene Luft schuld? Ist sie gar ungesund?
Nein und nein!
Zunächst wird davor gewarnt, Raumluft solle nicht unter 30 Prozent relativer Luftfeuchte fallen. Ein Raum mit 22° Celsius und 30 Prozent relativer Luftfeuchte entspricht einer absoluten Luftfeuchte von rund 5 Gramm Wasserdampf je Kubikmeter Luft. In rund der Hälfte eines durchschnittlichen Jahres bietet uns die Natur ein trockeneres Klima an, wenn man den Jahresverlauf der absoluten Luftfeuchte betrachtet. Das wiederum hieße, es werde eine angebliche Trockenheit kritisiert, die fast die Hälfte des Jahres in der Natur unterschritten wird. Kommen erste Zweifel auf?
Der dänische Wissenschaftler Ib Andersen hat bereits im Jahre 1972 Versuche durchgeführt, um mögliche gesundheitliche Effekte in Abhängigkeit zur Luftfeuchtigkeit darstellen. Hierzu wurden Probanden in einer Klimakammer untersucht. Die hauptsächlichen Ergebnisse dieses Versuchs waren folgende:
- Keine der Versuchspersonen empfand die zeitlichen Phasen der trockenen Luft als unangenehm
- Der untersuchte Hautwiderstand blieb während der trockenen Phasen unverändert. Beschwerden in Bezug auf trockene Körperoberflächen gab es keine.
- Bei trockener Luft kam es zu einer Erhöhung und nicht zu einer Verringerung des Nasenschleimflusses. Trockene Luft bewirkte also eine körpereigene Befeuchtung der Schleimhäute und keine Trocknung derselben. Dieser erhöhte Schleimfluss bietet einen wichtigen Abwehrmechanismus gegen inhalierte keimfähige und nicht keimfähige Krankheitserreger.
Am Ende der Studie kommt Prof. Ib Andersen zu folgenden Schlüssen:
- Die menschlich isolierte Bewertung von Feuchtigkeit ist unzuverlässig. Seine Probanden konnten im nicht sagen, ob es gerade feucht oder trocken war.
- Es ist seiner Ansicht nach bewiesen, dass Beschwerden, die im Winter häufig zu beklagen sind, wie Probleme mit Schleimhäuten oder der Haut, nicht ursächlich von trockener Luft verursacht sind, sondern von Bedingungen verursacht werden, wie niedrige Außentemperaturen, vermehrter Staubaufwirbelung und erhöhter Stickstoffdioxid-Leveln.
- Der Versuch ist seines Erachtens Anlass genug, die verbreitete Meinung in Frage zu stellen, Innenraumfeuchtigkeit von über 30 Prozent relativer Luftfeuchte bei gleichzeitig normalen Raumtemperaturen künstlich zu erzeugen.
- Ein rationaler Umgang mit dem Thema trockene Luft erscheint ihm viel sinnvoller als die allseits propagierte teure und künstliche Befeuchtung der Innenraumluft.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Literaturstudie zu trockener Luft und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit:
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Es konnte keine Studie eruiert werden, die eine definitive untere Grenze von 30 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit medizinisch begründet bzw. einen anderen Grenzwert herleiten ließe.
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Unter anderem ist umstritten, inwieweit der Mensch in der Lage ist, die relative Luftfeuchte sensorisch abzuschätzen. So wird die Luft z. B. als zu trocken empfunden, obwohl die relative Luftfeuchte mit 50 % in einem als behaglich angesehenen Bereich liegt. Ein hoher Staubanteil in der Luft oder eine zu hohe Lufttemperatur können das Empfinden stark beeinflussen.
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Unter anderem ist umstritten, inwieweit der Mensch in der Lage ist, die relative Luftfeuchte sensorisch abzuschätzen. So wird die Luft z. B. als zu trocken empfunden, obwohl die relative Luftfeuchte mit 50 % in einem als behaglich angesehenen Bereich liegt. Ein hoher Staubanteil in der Luft oder eine zu hohe Lufttemperatur können das Empfinden stark beeinflussen.
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Sofern die relative Luftfeuchte nicht über einen längeren Zeitraum in einen Bereich von 10 bis 20 % fällt, ist eine ständige Befeuchtung nicht ratsam, zumal befeuchtete Luft zum Teil als stickig empfunden wird. Vielmehr sollte zunächst versucht werden, über eine Veränderung des Luftwechsels und eine niedrigere Temperatur die Luftqualität im Raum zu verbessern.
Die erste Frage wäre damit beantwortet. Nicht die trockene Luft an sich führt zu Beschwerden, sondern der erhöhte Staubgehalt.
Aber was ist mit dem Mythos der „ungesunden“ trockenen Luft?
Was sagen die vielen gesunden Menschen in besonders trockenen Siedlungszonen, zum Beispiel in Nordskandinavien oder in den Alpengebieten zum Problem trockener Luft? Sind sie wirklich gesundheitlich belasteter aufgrund der dort vorherrschenden niedrigen Luftfeuchte? Oder warum stehen im knochentrockenen Klima von Davos die weltweit renommiertesten Lungenheilkliniken? Hier heilen lungenkranke Menschen bei einwandfreier trockener Bergluft. Nachts schlafen sie in beheizten Räumen, in denen weit weniger als 30 Prozent relative Luftfeuchte herrscht. Wurde etwa ein Planungsfehler gemacht?
Keineswegs. Hierfür gibt es eine biophysikalische Erklärung: Über die Atmung läuft ein lebenswichtiger Vorgang der Entwärmung des menschlichen Körpers ab. Die Verdunstung über die Atemluft hat einen kühlenden Effekt. Die Lunge gibt ständig Feuchtigkeit und damit latente Warme in die Umgebung ab. Trockene Luft mit einer niedrigen absoluten Feuchte unterstützt maßgeblich diesen Prozess, weil sie mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Wie kann trockene Umgebungsluft, die direkt und definitiv den lebenswichtigen Vorgang der Entwärmung verbessert und unterstützt, als gesundheitlich bedenklich klassifiziert werden? Das Gegenteil ist folglich der Fall.
Also, lüftet durch. Holt euch die staubfreie und trockene Luft rein. Ganz nebenbei lüftet ihr gleichzeitig Schadstoffe ab und das Schimmelpilzrisiko wird deutlich reduziert.
Links zu den Studien:
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/00039896.1974.10666606